Geschichte der Schlösser und Herrenhäuser

Schlösser und Herrenhäuser sind Ausdruck der vielschichtigen Landes- und Baugeschichte Schleswig-Holsteins und stehen in vielfältigen Beziehungen zur europäischen Geschichte und Baukultur.

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Im Mittelalter dienten die schleswig-holsteinischen Schlösser und Herrenhäuser vor allem der Befestigung und der Verteidigung, ihre Lage wurde nach strategischen Gesichtspunkten gewählt. So wurde die mittelalterliche Burg der Schleswiger Herzöge am engsten Punkt der cimbrischen Halbinsel errichtet. Sie war der Vorgängerbau des Schlosses Gottorf, das als Machtdemonstration vom dänischen König Friedrich I (1471–1533) zu einem Fürstensitz ausgebaut wurde. Die Herrenhäuser hingegen dienten vorrangig dem Schutz der ritterlichen Familien, folgerichtig wurden sie an entlegenen Orten oder an Gewässern erbaut. Kaum ein Bauwerk aus dieser Zeit ist heute noch erhalten. Aus schlechtem Baumaterial errichtet, waren sie von kurzer Lebensdauer: Die Herrenhäuser wurden in der Regel als „Motten“ in Form von hölzernen Wohntürmen auf aufgeschütteten Hügeln angelegt. Viele dieser Bauten wurden auch bei kriegerischen Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in den Herzogtümern Schleswig und Holstein oder bei Fehden der ritterlichen Familien untereinander zerstört.

Schloss Gottorf, Foto: Holger Stöhrmann

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Im Jahre 1495 wurde mit dem Wormser Landesfrieden die Fehde im deutschen Reich als Rechtsmittel verboten, zudem herrschte von 1536 an achtzig Jahre lang Frieden in den Herzogtümern Schleswig und Holstein. In dieser friedlichen Zeit entstanden nahezu sämtliche landesherrlichen Residenzen Schleswig-Holsteins. So ließ Herzog Adolf I. von Gottorf (1526 – 1586) in Kiel, Reinbek, Husum und Tönning Schlösser neu errichten und nahm an den Residenzen in Gottorf und Tondern grundlegende Umbauten vor. Die Schlösser in Glücksburg und Plön waren Besitztümer Herzog Johann des Jüngeren (1545 – 1622), des Begründers der Linie Schleswig-Holstein-Sonderburg-Plön. Schloss Glücksburg wurde 1583 – 1587 nach Plänen des Flensburger Baumeisters Nikel Karies als Wasserschloss errichtet und ist eines der bedeutendsten Renaissanceschlösser Norddeutschlands. Schloss Plön, einst Hauptwohnsitz der Schauenburger Grafen, wurde von Herzog Joachim Ernst (1595 – 1671) in den Jahren 1633 – 1636 auf dem Boden einer mittelalterlichen Burganlage erbaut.

Schloss Gottorf, Foto: Holger Stöhrmann

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Im 16. Jahrhundert wandelte sich die Bedeutung der Adeligen von Fehderittern zu hohen Amtsträgern im dänischen Königreich oder zu Leitern landwirtschaftlicher Betriebe. Dies führte zu einer großen Bautätigkeit und einer ersten Blütezeit der Adelskultur im 16. Jahrhundert. Die herausragende Persönlichkeit dieser Zeit war der Statthalter des dänischen Königs Heinrich Rantzau (1526 – 1598). Als Gelehrter, Schriftsteller, Büchersammler, Bauherr und Auftraggeber von Künstlern und Literaten verkörperte er den Renaissance-Humanismus wie kein zweiter im Lande, nach ihm wurde die gesamte Epoche als „Ratzausches Zeitalter“ benannt.

Schloss Glücksburg, Foto: Holger Stöhrmann

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In einer nun folgenden Zeit der schweren kriegerischen Auseinandersetzungen entstanden in Schleswig-Holstein nur vereinzelte Herrenhäuser. Die Architektur war rückwärtsgewandt, was sich im Wiederaufgreifen alter Bauformen, wie etwa dem mittelalterlichen Doppelhaus, manifestierte. Viele der adeligen Güter befanden sich im Besitz der zum schleswig-holsteinischen Uradel gehörigen Familie von Ahlefeldt, die ihre vorrangige Aufgabe in der Standespolitik und in der Leitung ihres Gutsbetriebes sah. So wird das 17. Jahrhundert auch das Ahlefeldtsche Zeitalter genannt.

Gut Damp, Foto: Holger Stöhrmann

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Um 1700 schließlich entstanden die ersten barocken Gutsanlagen Schleswig-Holsteins und zugleich wurden nun auch die Baumeister zunehmend namentlich erwähnt. So wurde das Herrenhaus in Güldenstein in den Jahre 1726 – 28 von dem Eutiner Bauinspektor Rudolph Matthias Dallin (um 1680 – 1743) errichtet. Diese bedeutende spätbarocke Dreiflügelanlage zeigt noch heute die für Schleswig-Holstein typische Ausprägung des „Backstein-Barocks“, der durch ein Wechselspiel zwischen ziegelrotem Mauerwerk und weiß gekalktem Bauschmuck gekennzeichnet ist. Der spätbarocke Wirtschaftshof des Herrenhauses Hasselburg ist konsequent axialsymmetrisch ausgerichtet und wird durch ein repräsentatives Torhaus des bedeutenden Eutiner Hofbaumeisters Georg Greggenhofer (um 1718 – 1779) erschlossen.

Gut Hasselburg, Foto: Holger Stöhrmann

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Auf den schleswig-holsteinischen Herrenhäusern war eine geistige Elite herangewachsen, die mit den kulturellen Strömungen aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland vertraut war. Die Nachkommen der adeligen Familien begaben sich auf „Grand Tour“, die sie durch Frankreich, Österreich, die Niederlande und Italien führte. Zurückgekehrt auf ihre schleswig-holsteinischen Herrenhäuser begannen die Adeligen häufig, ihre Herrenhäuser umzugestalten oder ganz neu zu errichten. So ergab sich im 18. Jahrhundert eine zweite Blütezeit der schleswig-holsteinischen Herrenhausarchitektur. Die Herrenhäuser in Emkendorf, Knoop, Altenhof und Windeby wurden um 1800 zu geistigen Zentren in Schleswig-Holstein.

Gut Emkendorf, Foto: Holger Stöhrmann

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Ende des 19. Jahrhundert vollzog sich ein letzter Wandel auf den adeligen Gütern Schleswig-Holsteins. Immer mehr adelige Familien veräußerten ihren Besitz an bürgerliche Käufer. Häufig erwarben wohlhabende Fabrikanten die adeligen Besitztümer und ließen von angesehenen Berliner Architekten neue Herrenhäuser errichten. So wurde das Herrenhaus in Tremsbüttel 1893 – 95 von dem Berliner Architekten Hans Grisebach (1848 – 1904) für den aus Remscheid stammenden Unternehmer Alfred Hasenclever in den Formen der deutschen Neorenaissance erbaut. Nur wenige Jahre später entwarf der Berliner Hofbaurat Ernst von Ihne (1848 - 1918) 1903/04 für Prinz Heinrich von Preußen in Hemmelmark einen malerischen Winkelbau im Cottage Stil. So entstanden in Schleswig-Holstein Bauten, die den Stilpluralismus des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts widerspiegeln.

Gut Wittmoldt, Foto: Holger Stöhrmann

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Noch heute zeugen die schleswig-holsteinischen Schlösser und Herrenhäuser von der strategischen Lage mittelalterlicher Gründungen, von der Bedeutung der Herrenhäuser als Mittelpunkt eines landwirtschaftlichen Gutsbetriebes sowie von der kulturellen Blüte unseres Landes und zeigen die Formenvielfalt und Schönheit der schleswig-holsteinischen Baukultur aus fünf Jahrhunderten. In den letzten Jahren öffnen ihre Besitzer öffnen mehr und mehr ihre Pforten: Die Gebäude können bei Führungen besichtigt werden, dienen als Veranstaltungsort für Lesungen und Konzerte, bilden eine reizvolle Kulisse für das Schleswig-Holstein Musikfestival und können zuweilen sogar für private Feste und Hochzeiten gebucht werden. So gelangt die Bedeutung der Schlösser und Herrenhäuser als ein wertvolles Kulturgut des Landes Schleswig-Holstein in das Bewusstsein einer immer größeren Öffentlichkeit.

Schloss Eutin, Foto: Holger Stöhrmann